ADG Campus

    Werteorientierung als handlungsweisende Maxime.

    von Ursula Pelzl

    An welchen Kriterien lässt sich gute Führung festmachen, wie führen wir digital und wie verändert sich Führung in gesellschaftlich und wirtschaftlich schwer vorhersehbaren Zeiten? Diese Fragestellungen standen im Mittelpunkt des 2. Workshops der Lernreise „Campus.Führen“ auf dem Campus Schloss Montabaur. Die sechsmonatige Veranstaltungsreihe war im November gestartet und führte nun erneut 20 junge Führungskräfte aus Militär sowie kooperativen Unternehmen zusammen. Engagiert diskutierten die TeilnehmerInnen ihre Wertevorstellungen und Führungsansätze.

    Der „Geist von Hamburg“, aus dem ersten Workshop in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, war von der ersten Minute an auch auf dem Campus der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG) in Montabaur spürbar – Freude sich wiederzusehen, gemeinsame Reflexion von Führungsfragen aus dem persönlichen Erfahrungsumfeld sowie ein noch engeres Miteinander erlebten TeilnehmerInnen, Coaches und Mentoren.

    Spannende Ausgangsfrage in einer soziometrischen Übung zum Einstieg und als „Warm-up an der frischen Luft“: Wo positioniere ich mich als Führungskraft zu ganz grundlegenden Fragen? Wo stehe ich? Wo die anderen? Fragen, die direkt im Anschluss vertieft wurden mit einer sogenannten „Fishbowl“-Übung zu Fragen der Führung im militärischen und genossenschaftlichen Kontext. Ein neues Tool zugleich für den Methodenkoffer der TeilnehmerInnen, das sich gut anstelle von Plenumsdiskussionen einsetzen lässt.

     „Fishbowl“-Übung zu Fragen der Führung im militärischen und genossenschaftlichen Kontext.


    Fünf Plätze stehen im „Goldfisch-Glas“ für Diskutanten zur Verfügung – drei davon können sich TeilnehmerInnen und Coaches aktiv abwechselnd erobern, um ihre Redebeiträge vorzubringen. Sprichwörtlich gesetzt auf den beiden anderen Stühlen diskutierten die beiden Mentoren der Gruppe mit: die Gastgeberin auf Schloss Montabaur und Vorstandsvorsitzende der ADG, Dr. Yvonne Zimmermann, sowie Oberst André Abed, Direktor Strategie & Fakultäten, der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg mit der Runde.

    Wie wichtig ist Vertrauen in der Führung von MitarbeiterInnen? Ist Kontrolle zwangsläufig negativ und entantwortet KollegInnen oder kann Kontrolle auch positive Aspekte mit sich bringen? So lauteten die ersten diskutierten Fragen in dieser Runde. In der Reflexion und Bewertung von Führung zwischen Vertrauens- und Kontrollorientierung waren sich die militärischen und zivilen Führungskräfte einig: Vertrauen ist wertschätzend und beflügelnd. Kontrolle im Sinne eines gut kommunizierten Feedbacks hingegen kann jedoch genauso wertschätzend sein und bewirken, dass sich Mitarbeitende nicht auf sich allein gestellt fühlen. Kontrolle hilft Vorgesetzten ferner zu erkennen, wo er oder sie gegebenenfalls Unterstützung, Förderung und Entwicklungsarbeit zu leisten hat. Das bedeute in jedem Fall in der täglichen Führungsarbeit immer: „Augen auf“, erfordere aber nicht immer unbedingt auch ein Eingreifen.

    Oberst Abed betonte aus militärischer Sicht: „Die Gesamtverantwortung liegt immer bei der Führungskraft. Verantwortung kann letztendlich nicht geteilt werden.“

     Dr. Zimmermann ergänzte: „Fachliches Know-how, Expertise und Erfahrung sichern einer Führungskraft Akzeptanz. Das ist genauso wichtig wie eine klare Kommunikation, warum und mit welchem Ziel man kontrolliert.“


    Oberst André Abed und Dr. Yvonne Zimmermann

     

    „Gutes Führen ermöglicht auch Freiheiten“, diese These stellte Dr. Viktoria Schäfer, Vorstandsvorsitzende und wissenschaftliche Leiterin des Forschungsinstituts der ADG Gruppe, ADG Scientific – Center for Research and Cooperation an den Beginn ihres Impulsvortrages. Sie ging der Frage nach: Ein Führungsprogramm für Offiziere der Bundeswehr und zivile Führungskräfte aus Genossenschaften, Kooperativen und Verbundgruppen – wie kann das zusammenpassen?

    Dr. Viktoria Schäfer erläutert, wie viele verbindende Elemente in den Grundwerten beider Führungsorganisationen zu finden sind.

    Sie zeigte im Vergleich des im Grundgesetz verankerten Wertekanons für die Bundeswehr mit der Denkschule und DNA genossenschaftlicher Organisationen auf, wie viele verbindende Elemente in den Grundwerten beider Führungsorganisationen zu finden sind. So basieren die Führungskulturen von Bundeswehr („Innere Führung“) sowie Genossenschaften, Kooperativen und Verbundgruppen („Cooperative Leadership“) auf den gleichen Grundwerten und sind Ausdruck guten Führens.


     

     

    Was also liegt näher als in einer gemeinsamen Lernreise miteinander zu lernen und sich weiterzuentwickeln?

    Werte geben Orientierung in Fragen der Führung, doch die Herausforderungen für Führungskräfte sind vielfältig. Das zeigte auch Coach Michael Romeis von der ADG mit seinem Vortrag „Fü(h)rsorge im Kontext des Betrieblichen Gesundheitsmanagement“ auf. Wenn es zu Fehlzeiten im Unternehmen komme – sei es durch Krankheit, persönliche Probleme oder durch fehlende Arbeitszufriedenheit – habe die Führungskraft eine Fürsorgepflicht. Rechtlich könne man sich hier schnell auf dünnem Eis bewegen, wenn Früherkennung und Fürsorge nicht erfolgten. Die Teilnehmenden nahmen die anschließende Diskussion dankbar an, um ihre eigenen Erfahrungen und Unsicherheiten im Umgang mit MitarbeiterInnen zu schildern und sich über Lösungswege auszutauschen.

    Eine „genossenschaftliche Campusexpedition“ gab den Teilnehmenden an unterschiedlichen audio-visuellen Infopoints noch tiefere Einblicke in die Geschichte der Genossenschaften in Deutschland, aber auch in die Denkschule der ADG und der ADG Business School als akademische und berufsbegleitende Bildungsanbieter in werteorientierter Ökonomik. Ein gemeinsames Abendessen mit regem Austausch im historischen Rittersaal des Barockschlosses beendete den ersten Workshoptag.

    Eine „genossenschaftliche Campusexpedition“ gab den Teilnehmenden an unterschiedlichen audio-visuellen Infopoints noch tiefere Einblicke in die Geschichte der Genossenschaften

     

     



    Gemeinsames Abendessen mit regem Austausch im historischen Rittersaal des Barockschlosses


    Perspektivwechsel! Unter diesem Motto stand der Einstieg in den zweiten Tag, in der die Teilnehmenden in kleinen Gruppen die Fragen reflektierten und diskutierten:

    Was ist gute Führung? Was ist schlechte Führung? Was sind die Herausforderungen für Führung in der Zukunft? In Einzel- und Gruppenarbeit sowie mit der kreativen „Galeriemethode“ erweiterten die Teilnehmenden auch hier wieder ihr methodisches Toolkit für die Erarbeitung komplexer Fragestellungen.

    Es lag bei der hochkarätig besetzten Teilnehmerrunde auf der Hand, dass die Attribute für gute Führung leichter zusammengestellt waren als für schlechte Führung. Eine gute Führungskraft hat Vorbildcharakter, ist authentisch, berechenbar und empathisch, kritikfähig und nimmt ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden wahr.

    Als größte Herausforderung werteten die Teilnehmenden, dass sich gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen in immer kürzeren Zyklen verändern und sich daher auch das Führungsverständnis- und verhalten anpassen muss. Am Beispiel der Digitalisierung wurde beispielsweise diskutiert, wie Fürsorge, Motivation, Teambuilding sowie Feedback und Kontrolle in einem rein digital und/oder hybrid zu führendem Team gelingen können. Eine Herausforderung, mit der sich zahlreiche Führungskräfte branchenübergreifend in der Pandemie und in Lockdown-Phasen konfrontiert gesehen haben.

     

    In vier Lerngruppen setzten sich die militärischen und zivilen Teilnehmenden am Nachmittag intensiv damit auseinander,

    • wie sich Ziele setzen, kommunizieren und kontrollieren lassen,
    • unter welchen Rahmensetzungen die Führung digitaler Teams gelingt,
    • inwieweit Motivation intrinsisch ist und/oder mit welchen Impulsen Motivation gelenkt und verstärkt werden kann und
    • wie Führung in Zeiten von Transformation und disruptiven Ereignissen und Entwicklung gelingen kann.

     


     






    Die Fragestellungen der Lerngruppen „Zielsetzung“, „Digitale Führung“, „Motivation“ so wie „Veränderung von Führung“ führen die Teilnehmenden in virtuellen Arbeitstreffen und unter der Anleitung eines Coaches auch zwischen den Präsenz-Workshops weiter.

    Mit einem Ausblick und viel Vorfreude auf die Fortsetzung der gemeinsamen Lernreise im Februar am Standort der Luftlandebrigade in Saarlouis endete der Workshop in Montabaur. Zwei Tage, die die Teilnehmenden noch enger zusammengeschweißt haben. „Nichts beschreibt besser den Zusammenhalt in unserem Workshop als die Situation, in der heute eine Teilnehmerin ihre Uniformjacke der Sitznachbarin leiht, die friert. Für den anderen da sein – das zeichnet die empathische Führungskraft aus“, sagte Dr. Zimmermann bei der Verabschiedung der Gäste. Oberst Abed schloss sich an und ergänzte: „Diesen zweiten Workshop haben Sie selbst aktiv mitgestaltet, ja, zu Ihrem gemacht! Sie haben sich und Ihre Themen aus Ihrem Berufsalltag eingebracht und Lösungsansätze mit den Kolleginnen und Kollegen diskutiert und sich Impulse geholt. Da wächst ein wertvolles neues Netzwerk zusammen.“