Herr Nannt, nach den ersten Tagen auf dem Campus Schloss Montabaur – wie fühlt es sich an, hier zu sein? Und wie groß ist der Unterschied zur Kaserne?
Boris Nannt: Ich gehe jeden Tag mit einem Lächeln und unheimlicher Zufriedenheit auf das Schloss – und auch wieder nach Hause. Ich lerne täglich Neues dazu, lerne die Mitarbeitenden der ADG kennen, aber auch unsere Kunden, was ein richtig schönes Gefühl ist. Gleichzeitig beschäftige ich mich intensiv mit der Entwicklung unserer Produkte, also den Seminaren und Programmen. Das ist aktuell so viel positiver Input, dass ich mich freitags frage: Ist schon Wochenende?
Und der Unterschied zur Kaserne? Ich stehe jeden Morgen vor dem Kleiderschrank und überlege, was ich anziehen soll. Jetzt muss ich mir doch eindeutig mehr Gedanken über die Kleiderwahl machen. Aber ich mache das gerne.
Sie sind nun knapp einen Monat bei der ADG. Konnten Sie bereits erste Eindrücke bei der ADG gewinnen?
Ich erlebe jetzt, was die ADG ausmacht. Zuvor hatte ich schon viel über die ADG gelesen und gehört und im Vorfeld über 40 Gespräche geführt, um ein Gefühl davon zu bekommen, wie die ADG tickt. Aber im direkten Umgang mit den Mitarbeitern und Kunden vor Ort bekomme ich noch mal eine andere Perspektive.
Derzeit bin ich aber noch dabei, Erfahrungen zu sammeln. Ich bin zum Beispiel direkt am ersten Arbeitstag einfach in ein Seminar reingegangen. Ich suche bewusst diese Nähe, weil es mir wichtig ist, alles über die Produkte zu erfahren, über unsere Methodik, unsere Didaktik, um sie besser zu machen. Eines kann ich aber bereits sagen: Ich erlebe hier sehr viel Kompetenz und Erfahrung.
Sie haben es erwähnt: Im Zuge Ihres Onboardings haben Sie durch zahlreiche Gespräche mit externen Vertretern von Banken und Verbänden einen tiefen Einblick von außen auf die ADG gewonnen. Welche wesentlichen Punkte wollen Sie nun angehen?
Ganz wichtig ist mir die Kundennähe. Ich möchte sicherstellen, dass wir eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten, um ihre Bedürfnisse zu verstehen. Darüber hinaus möchte ich ein Versprechen in zwei Richtungen geben: Unsere Führungskräfteentwicklungsprogramme sollen sowohl den Unternehmen, die ihre Mitarbeiter zu uns schicken, als auch den einzelnen Teilnehmern einen hohen Mehrwert bieten. Unternehmen sollen nach einer Weiterbildung sagen können, dass es sich gelohnt hat, dass ihre Mitarbeiter bei der ADG waren, da ihr Unternehmen nun zukunftsfähiger aufgestellt ist und eine Führungskräfteentwicklung stattgefunden hat. Gleichzeitig soll der Teilnehmer bei uns eine Erweiterung seiner Kompetenzen erfahren.
Die Bundeswehr hinter sich gelassen, um bei der Akademie Deutscher Genossenschaften e.V. anzufangen… das ist ein mutiger Schritt. Als Sie vor einem Jahr als Keynote-Speaker Gast beim Kaleidoskop von „Alumni und Freunde der ADG“ waren – hatten Sie da diesen Gedanken bereits im Kopf?
Nein, ganz sicher hatte ich das nicht vor Augen, als ich als Referent hier war. Die ADG stand nicht auf meiner To-Do-Liste und ich würde es eher als einen Zufall betrachten, dass ich nun hier bin. Aber als sich die Tür geöffnet hat, wusste ich sofort, dass es eine Herzensentscheidung wird. Es ist mein Antrieb, Menschen zu begleiten und sie zu stärken. Ich nenne es gerne meinen ‚Smoothie des Tages‘. Diesem Antrieb nun bei der ADG nachgehen zu können, ist ein außergewöhnliches Privileg. Beim Kaleidoskop habe ich bereits gespürt, wie inspirierend dieser Ort hier ist. Ich habe viele Lernorte auf dieser Welt kennengelernt, aber das Schloss Montabaur hat einen ganz besonderen Spirit.
Sie klingen sehr enthusiastisch, wenn Sie über Ihre neue Tätigkeit sprechen. Aber wie schwer fiel es Ihnen, die Uniform abzulegen? Gab es möglicherweise einen Moment, in dem Sie gezweifelt haben, ob Sie den richtigen Weg einschlagen haben?
Gezweifelt habe ich nicht, nein, aber ich habe die Entscheidung wohl durchdacht. Sie fiel mir auch nicht leicht. Immerhin war ich 34 Jahre bei der Bundeswehr und sie hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Aber ich denke, dass es der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt ist, da ich mit meinen 53 Jahren in einem guten Alter dafür bin. Die Verabschiedung bei der Bundeswehr war jedoch sehr emotional und ich muss zugeben, dass ich auch eine Träne im Auge hatte. Ich habe sehr viel Wertschätzung erfahren. Dennoch schließt die Emotionalität über das, was war, nicht die Freude über den Neubeginn aus.
In den letzten Wochen haben Sie sich intensiv mit den Themen der ADG vertraut gemacht. Sie beschäftigen sich nun nicht mehr mit Logistikfragen der Bundeswehr, sondern mit den Herausforderungen der genossenschaftlichen FinanzGruppe und von Verbundgruppen. Ist das nicht eine völlig andere Welt?
Auf den ersten Blick mag das so erscheinen, aber so unterschiedlich sind sie gar nicht. Die Bundeswehr und die genossenschaftliche Welt verbindet einiges: Viele Werte, die ich von der Bundeswehr kenne, erlebe ich jetzt auch hier. Ich habe in meiner Vorbereitung viele Gespräche mit Menschen aus der genossenschaftlichen Welt geführt. Was mir in allen Gesprächen begegnet ist: Offenheit und Neugier, Solidarität und Unterstützung. Im Grunde geht es immer um Menschen und die Prozesse zwischen ihnen – bei der Bundeswehr wie auch bei der ADG. Der Unterschied zwischen den beiden Welten ist also nicht so groß, wie man denkt. Außerdem war ich auch bei der Bundeswehr in den letzten Jahren in der Bildungslandschaft tätig, habe die Top-Führungskräfte in der Führungsakademie geschult – das lässt sich gut vergleichen mit der ADG als Management-Schmiede – und zuletzt war ich an der Logistikschule beschäftigt und habe dort unter anderem logistische Fach- und Führungskräfte ausgebildet.

Wenn wir schon über Führungskräfte sprechen. Wie erreicht man denn Führungserfolg?
Aus meiner Sicht kommt es im Wesentlichen auf zwei Dinge an: Zum einen die Persönlichkeit, also das Verhalten und die Haltung, zum anderen die Techniken, also die Methoden, Verfahren, Prinzipien und Tools, die angewandt werden. Als Führungskraft muss man kontinuierlich an beiden Aspekten arbeiten. Mir ist es wichtig, dass die ADG Weiterbildungen für beide Säulen anbietet.
Nun haben wir heraushören können, dass es zwischen Ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr und der bei der ADG doch viele Gemeinsamkeiten gibt. Was sich definitiv ändert: Sie arbeiten nun – auch – für Kunden. Eine besondere Challenge?
Ich hatte bereits bei der Bundeswehr immer den Anspruch, einen Mehrwert zu erzielen und habe mir immer die Frage gestellt: Was kann ich als Dienstleister dazu beitragen? Bei der ADG geht es mir nun in erster Linie darum, den Kunden zu unterstützen, ihm bei seinen Herausforderungen zu helfen. Die Nähe zum Kunden steht im Mittelpunkt, denn die ADG ist nicht als Selbstzweck da.
Die Bundeswehr hat mit ihrem Image zu kämpfen, aber auch Genossenschaften. Ihnen wird oft ein eher angestaubtes Image attestiert. Haben Sie einen ähnlichen Eindruck?
Dieses Gefühl kann ich gar nicht teilen. Es gibt so viele verschiedene Genossenschaften, auch junge, im Bereich der erneuerbaren Energien beispielsweise. Ich wusste gar nicht, wie groß und gewaltig die Welt der Genossenschaften ist. Das habe ich jetzt erst gelernt und bin erstaunt darüber. Und ich denke, dass das Prinzip des „Füreinander“ und „Miteinander“, das Genossenschaften auszeichnet, zeitgemäßer denn je ist. Ich sehe sogar einen Trend hin zu Genossenschaften. Gerade in einer Welt, die sich immer mehr individualisiert, ist es total energetisierend, gemeinsam Erfolg zu erleben.
Wenn wir einmal die Zeitschaltuhr bedienen und wir blicken fünf Jahre voraus: Was möchten Sie dann mit der ADG erreicht haben?
Ich möchte, dass Führungskräfte aus der genossenschaftlichen Welt uns als ihre Referenz in ihrem Lebenslauf stehen haben wollen, dass sie ihren Abschluss, den sie bei uns gemacht haben, mit Stolz auf ihre Visitenkarte drucken. Dass es einen Wert hat, bei uns gewesen zu sein. Meine Vision ist es, dass die ADG die Top-Kaderschmiede für genossenschaftliche Führungskräfte wird und dass unsere Alumni sagen: ‚Ich habe bei der ADG viel gelernt und es hat mich als Führungskraft wirklich weitergebracht‘. Dafür möchte ich stehen – das würde mir viel geben.
Wenn man Sie erlebt, wirken Sie unaufgeregt und geerdet. Liegt das an Ihrer Erfahrung und haben Sie ein besonderes Freizeitprogramm, das Sie in diesen Zustand versetzt?
Nun, ich bin von Hause aus Waage als Sternzeichen. Das könnte vielleicht einen Einfluss haben. Aber ich bin auch gerne auf dem Golfplatz unterwegs und dort wird man mit Hektik und Kraft keine Erfolge feiern. Stattdessen braucht es Überblick, den richtigen Schwung und immer den Blick nach vorn.
Frage zum Abschluss: Sie wohnen nicht weit vom Schloss entfernt und kommen immer zu Fuß zur Arbeit. Der Schlossberg hat es ganz schön in sich. Hat sich Ihre Kondition schon verbessert oder war die als ehemaliger General bereits gut genug, um ohne Atemnot das Schloss zu erreichen?
Es ist definitiv eine Herausforderung, den Schlossberg zu erklimmen. Man spürt die Anstrengung. Umso schöner ist es jedoch, wenn man schließlich oben ankommt. Denn: Erfolg bedeutet immer Arbeit.