amberra, Beyond Business Solutions (B.B.S.), VR Star – sie alle verbindet die Erkenntnis, dass erfolgreiche Banken künftig nicht mehr ausschließlich in ihrem Kerngeschäft tätig sein können. Es bedarf einer Erweiterung des Geschäftsmodells um zusätzliche Ertragsfelder, Dienstleistungen und Produkte.
Wie dieses „Beyond Banking“ funktioniert? Durch den Aufbau digitaler Plattformen oder sogar regionaler Ökosysteme. Für diesen Ansatz stehen die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft amberra des Bundesverbands der Volksbanken Raiffeisenbanken (BVR), das regionale, genossenschaftliche Ökosystem der Beyond Business Solutions (B.B.S.) und die genossenschaftlich konzipierte Plattform VR Star, die im Rahmen des Forums „Zukunft Genossenschaftsbank 2023“ auf dem Campus Schloss Montabaur präsentiert und reflektiert wurden.
Erweiterung der Lebenswelten im Alltag
Die Relevanz digitaler Ökosysteme für deutsche Banken steigt. Gründe dafür sind unter anderem die fortschreitende Digitalisierung sowie veränderte Kundenbedürfnisse. Durch innovative Plattformen können Banken wieder näher an den Point of Sale und damit auch an die Kunden rücken und im Alltag für sie relevant bleiben.
Digitale Plattformen bieten zusätzlich die Chance, auch bankferne Produkte und Services aus verschiedenen Lebenswelten mit dem eigenen Angebot zu kombinieren. So können Banken ihren Kunden nicht nur klassische Finanzdienstleistungen, sondern auch Services zum Beispiel rund um die Themen Gesundheit und Pflege, Immobilien und Wohnen oder Reisen und Versicherungen anbieten.
Praxisbeispiele: Digitale Plattformen und Ökosysteme
Am Thema Plattformökonomie setzt auch die Genossenschaftliche FinanzGruppe mit seiner Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft amberra an, die die Leistungen für ein genossenschaftliches Ökosystem regionaler Prägung mit aufbauen soll. „Wir wollen die Innovationskraft kleiner und großer Genossenschaftsbanken über amberra bündeln. amberra soll somit als Beschleuniger von Innovationen aus der Gruppe heraus fungieren.“, erklärt Jörg Götze, Leiter der Abteilung Vertriebsstrategie beim BVR und aktueller Interimsgeschäftsführer von amberra. Götzes bisherige Erfahrungen zeigen: „Man braucht einen langen Atem. Aber wir stellen uns als Genossenschaftliche FinanzGruppe damit zukunftsfähig auf und sind an der Kundenschnittstelle präsent.“
Der Investmentausschuss von amberra hat mit Wirkung zum 1. April 2023 Björn Schmuck zum Geschäftsführer berufen. Mit dieser Personalentscheidung kann die Ende 2022 gegründete Gesellschaft ihre operative Geschäftstätigkeit aufnehmen.
Auch die von mehreren Genossenschaftsbanken betriebene Ökosystemlösung der Beyond Business Solutions (B.B.S.) verfolgt das Ziel, „das reale Leben mit einem digitalen Ökosystem zu verbinden“, erläutert Markus Klinger, Leiter Kooperation & Innovation B.B.S. GmbH. „Wir bilden die Alltagslebenswelten der Kunden auf einer Plattform ab – und das für die verschiedensten Bereiche: Ob Banking, Handwerk, Dienstleister, Einzelhandel oder Gastronomie.“
Das Besondere der Lösung: Hier wird vom Stöbern, über die Bestellung oder die Anfrage bis hin zum Bezahlvorgang alles in einem System – ohne externe Verlinkung – abgewickelt. Und das Wichtigste ist: Es ist eine rein regionale Lösung. Die regionalen Anbieter werden zu 100 Prozent unterstützt, um die Wertschöpfung in der Region zu halten und dort Arbeitsplätze und die Lebensqualität zu sichern. Die Bank erschließt mit dem regionalen Ökosystem neue Ertragsfelder, sichert und erweitert die Kundenschnittstelle mit alltagsrelevanten Lösungen und stärkt das eigene Kerngeschäft.

Carsten Brüner von der Volksbank Rottweil (links) und Markus Klinger von B.B.S. sind sich sicher: Regionales Beyond Banking ist das Geschäftsmodell der Zukunft.
Unter dem Motto „Deine Region zum Greifen nah.“ bauen auch die VR Bank Südliche Weinstraße-Wasgau eG und die Volksbank Friedrichshafen-Tettnang eG ein regionales Ökosystem auf. „VR Star“ vernetzt die Region und schafft Strukturen in bisher noch nicht organisierten Bereichen. „Im Fokus stehen die Menschen in unserer Heimat. Sie versorgen wir mit aktuellen Informationen aus der Region und verbinden sie mit Vereinen und Unternehmen, dazu zählt natürlich auch die Bank. Ziel ist es, den genossenschaftlichen Gedanken auch in der digitalen Welt erlebbar zu machen“, erläutert Geschäftsführerin Katrin Weiland.
Thomas Stauber, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Volksbank Friedrichshafen-Tettnang eG, ergänzt: „Als Genossenschaftsbank haben wir die besten Voraussetzungen, auch zukünftig eine wichtige Rolle in der Region zu spielen. Wir haben täglich sehr viele Kontakte und ein großes Netzwerk, welches wir aktiv nutzen möchten. Gemeinsam mit unserem wissenschaftlichen Partner, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, haben wir uns intensiv mit den Themen Plattformgeschäft und Ökosysteme auseinandergesetzt – entstanden ist VR Star. Damit können wir schon heute den Ansatz der Lebenswelten unterstützen und wichtige Erfahrungen sammeln.“
Der Blick über den genossenschaftlichen Tellerrand
Auch das Praxisbeispiel einer digitalen Plattform aus der Sparkassen-Finanzgruppe stand auf dem Programm des Forums „Zukunft Genossenschaftsbank 2023“: Bliggit, ein Gemeinschaftsunternehmen der Sparkasse Wuppertal und der Stadtwerke Wuppertal WSW, ist eine digitale Plattform, die die Menschen, Unternehmen und Vereine der Stadt Wuppertal miteinander verbindet und über aktuelle Nachrichten und Angebote rund um die Stadt informiert.
Holger Hammes, Geschäftsführer von Bliggit, betont: „Plattformen müssen möglichst einfach und zugänglich für den Nutzer gestaltet sein. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen.“ Zudem sei stets die Relevanzfrage zu klären: Welchen Nutzen stiftet meine Plattform?
Regionale Digitalisierung sei ein Prozess, der dynamisch und komplex ist und selbstverständlich Ressourcen benötigt. Doch um im Wettbewerb mit den großen Playern wie Amazon und Co. nicht verdrängt zu werden, gelte es nun, zu starten, zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. „Dazu braucht es vor allem Mut und Entschlossenheit.“, so Hammes weiter.
Die Learnings
Über die Erfolgsfaktoren regionaler Ökosysteme und digitaler Plattformen waren sich Teilnehmer und Referenten des Forums einig:
- Einen klaren USP definieren!
- Mehrwert, Nutzen und Relevanz für Kunden als handlungsleitend setzen!
- Schnell am Markt sein!
Welche Rolle den Banken dabei zukommt? Sie haben das Vertrauen und den Rückhalt der Menschen vor Ort. Die Regionalbank mit ihrem Netzwerk kann also als „Ermöglicher“ regionaler Plattformen nur gewinnen.
Exkurs zum Plattformgeschäft
- Strategien und Modelle im Plattformgeschäft
Digitale Plattformen führen Angebot und Nachfrage digital zusammen. In einem Ökosystem verknüpfen verschiedene Anbieter ihre Angebote, um das Kundenbedürfnis insgesamt besser zu bedienen. Ein Ökosystem kann auch aus mehreren Plattformen bestehen.
In der Plattformökonomie unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Strategien:
- Einer aktiven Strategie: Man agiert selbst als Plattformbetreiber.
- Einer passiven Strategie: Das eigene Unternehmen ist Teil einer anderen Plattform.
Darüber hinaus definiert Günter Althaus, Unternehmer bei EMC hoch 2 Evolve Management Consult, im Rahmen des Forums „Zukunft Genossenschaftsbank 2023“ drei verschiedene Plattformgruppen und ihre Eigenschaften:
- Technologische Plattformen: stellen die technische Infrastruktur bereit, sind innovativ und wettbewerbsfähig
- Branchenplattformen: marktführend, nutzerorientiert, subsidiär
- Regionale Plattformen: aktuell, personalisiert
„Damit eine Plattform erfolgreich ist, muss sie wirtschaftlich sein und Wertschöpfung bieten.“, so Althaus. Der wichtigste Aspekt beim Aufbau beziehungsweise Betrieb einer Plattform aus Sicht des Unternehmers: Den USP bestimmen.