Was ist die größte Herausforderung, um Nachhaltigkeit in Genossenschaftsbanken zu etablieren? Andrea Nitschke vom Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken lieferte die Antwort beim 19. Forum Organisation der ADG: „Die konsequente Ausrichtung auf Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Bank erfordert Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit von allen – Vorständen, Führungskräften und Mitarbeitenden“, so die Abteilungsleiterin Bankorganisation und Informationstechnologie vom BVR. „Auch wenn Nachhaltigkeit Teil der DNA der Genossenschaftsbanken ist, so ist dieser Prozess unglaublich kräftezehrend.“ Doch ohne Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit könne sich Nachhaltigkeit nicht erfolgreich in der Organisation verankern. Vorstand und Führungskräfte müssten diese Kultur erlebbar machen. Sie lasse sich jedoch nicht so leicht einführen, wie das mit einzelnen bankfachlichen Prozessen gehe.
Auf eins machte Andrea Nitschke in diesem Zusammenhang auch aufmerksam: Bei 770 Genossenschaftsbanken gäbe es mit Blick auf geeignete Organisationsstrukturen keine „One fits all“-Lösung. Jede Bank müsse individuell beziehungsweise nach ihrem Archetyp betrachtet werden. Der BVR hat zur Berücksichtigung der Heterogenität von Genossenschaftsbanken vier Archetypen entwickelt, die als Orientierungshilfe im Transformationsprozess dienen. Der vom BVR vor zwei Jahren gemeinsam mit Banken erarbeitete "Wegweiser Organisationsstrukturen" wird derzeit mit Fokus auf die Strategieagenda-Handlungsfelder „Neues Betriebsmodell“ sowie „Organisationsentwicklung und Veränderungskultur“ weiterentwickelt. Er soll im ersten Quartal 2023 zusammen mit einem strategischen Kapazitätsplanungstool konkrete Handlungsempfehlungen auf Basis der Archetypen sowie Orientierungshilfen für Kapazitäten in der Organisation bieten.
Von bestehenden Systemen lernen
Wie implementiert man ein Nachhaltigkeitsmanagement in seiner Bank? Dr. Astrid Herrmann verwies auf die wesentlichen Systemelemente und zeigte anhand der eigenen Bank, der Evangelischen Bank eG, eine mögliche Umsetzung.
Die wesentlichen Systemelemente des Nachhaltigkeitsmanagements:
1. systematische Integration sozialer und ökologischer Aspekte in das Leitbild der Organisation,
2. eine Nachhaltigkeitsprüfung zur Bestandsaufnahme und Bewertung der Wirkungen der Organisation zur Nachhaltigkeit,
3. ein Managementsystem mit Verankerung der Nachhaltigkeitsaspekte in Organisationsstruktur und Abläufen sowie in Schulung und Kommunikation,
4. ein standardisierter Nachhaltigkeitsbericht sowie
5. ein regelmäßiges Monitoring mit internem und externem Audit.
Die Abteilungsleiterin Nachhaltigkeit & Strategie der Evangelischen Bank eG machte auf die Bedeutung der Dokumentation der Nachhaltigkeitsleistung aufmerksam: „Halten Sie alle Maßnahmen schriftlich fest. Entwickeln Sie ökologische und soziale Messgrößen, um Ihre Erfolge zu dokumentieren und nachsteuern zu können! Das wird im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung immer stärker auf Sie zukommen.“ Ob Wasserverbrauch, Energieeinsatz und Emissionen – all dies sollte dokumentiert werden und wird auch künftig berichtet werden müssen. Aber auch Nachhaltigkeitsmaßnahmen wie Reiserichtlinien, die Umstellung auf fair gehandelten Kaffee oder das Nutzen von ökologisch abbaubarem Putzmittel, die nicht berichtspflichtig sind, sollten schriftlich festgehalten werden. Sie zeigen die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit des Umgangs mit dem Thema.
Die Regulatorik wird in Zukunft hohe extreme Anforderungen stellen. Wer rechtzeitig und systematisch ein Nachhaltigkeitsmanagement einführt, ist entsprechend vorbereitet. Eine Wesentlichkeitsanalyse unterstützt bei der Entscheidung, welche Nachhaltigkeitsthemen und -risiken für die Bank wirklich bedeutend sind – und die Umsetzung über ein existierendes und anerkanntes System hilft, das Thema sinnvoll in die eigenen Strategien und Prozesse zu integrieren.

Sich nicht treiben lassen, sondern selbst Treiber sein
Wie Organisation wirkungsvolle Veränderung ermöglicht, darauf ging Kai Geisslreither von der ADG ein. Dazu verwies er auf folgende acht Prinzipien:
- Unsicherheit statt Sicherheit – „Wenn Unternehmen Neues wagen, haben sie keine Sicherheit darüber, was passieren wird. Sie müssen daher lernen, mit der unvermeidlichen Unsicherheit umgehen zu können.
- Geschwindigkeit statt Genauigkeit – „Wenn Sie etwas Neues machen wollen, müssen Sie schnell sein. Sie haben immer Mitbewerber.“
- Ideen statt Pläne – „In Zeiten der Unsicherheit ist es wahrscheinlich, dass eine Idee, zu einem Plan ausgearbeitet wird, scheitert. Entwickeln Sie daher viele Ideen, auf die Sie zurückgreifen können.“
- Typen statt prozessuale Arbeitsteilung – „Für Veränderungsprozesse werden Menschen gebraucht, die die gesamte Wertschöpfung abdecken können, die um die Ecke denken können und keine Angst vor dem Scheitern haben.“
- Kurze Wege statt Übergabepunkte – „Miteinander sprechen ist Teil der Lösung.“
- Selbstverantwortung statt Hierarchie – „Es geht um einen ehrlichen Wettstreit von Ideen. Dazu muss es die Möglichkeit geben, Ideen zu negieren, auch wenn sie vom Chef kommen.“
- Zusammenhalt statt Individualziele – „Wenn das Umfeld unsicher ist, geht vieles schief. Dann muss einer für den anderen einspringen. Individuelle Zuständigkeitsbereiche oder gar dem großen Ganzen widersprechende Individualziele wirken wie Gift.“
- Schnelles Lernen statt Fehlervermeidung – „Nicht funktionierende Ideen sollten möglichst schnell mit möglichst wenig Kosten ausgeschlossen werden.“
Im Zuge der Anforderungen an Banken, die von der Aufsicht zunehmend größer werden, gab Kai Geisslreither den Forum-Teilnehmenden mit auf den Weg: „Sie sollten sich als Treiber verstehen, proaktiv sein. Warten Sie nicht, bis Sie getrieben werden!“