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    Altersteilzeitvereinbarungen 2022 – Sinnvolle Vertragsgestaltungen

    Bis 2010 konnten Arbeitgeber eine Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit beantragen (§ 3 ATG). Inzwischen werden nur noch die bis dahin angetretenen Altersteilzeiten gefördert.
    Eine unmittelbar geförderte Altersteilzeit gibt es aktuell nicht.
    Aber eine mittelbare: Die besonderen Steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen bei Arbeitsteilzeitverträgen sind hingegen erhalten geblieben. Sie setzen, im Unterschied zur früheren Rechtslage, keine „Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes“ voraus, durch welche seinerzeit die Einstellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglicht werden sollte.
    Auch wegen dieser mittelbaren Förderung ist die Altersteilzeit nach wie vor – bei Arbeitgebern und Mitarbeitenden – sehr beliebt. Sie stellen eine interessante Möglichkeit dar, Arbeitsverhältnisse flexibel zu gestalten und sind trotz des Wegfalls der Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit weiterhin in vielen Fällen finanziell attraktiv.

    Grundlagen:

    In Betracht kommen ein sogenanntes „Gleichverteilungsmodell“, bei dem die Arbeitszeit um die Hälfte reduziert und über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit verteilt wird, oder das regelmäßig gewählte „Blockmodell“, bei welchem die erste Hälfte der Altersteilzeit Vollzeit gearbeitet wird, während die Mitarbeitenden während der zweiten Hälfte von der Arbeit gänzlich freigestellt werden. Während der Freistellungsphase des Blockmodells ruht das Arbeitsverhältnis nicht. Da jedoch keine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Vergütung für die in der Arbeitsphase erbrachte Arbeitsleistung geleistet wird, scheidet Kurzarbeit in dieser Phase aus. Für alle anderen Konstellationen hingegen kommt Kurzarbeit in Betracht.

    Die Mitarbeitenden müssen, damit die Steuer- und Beitragserleichterungen Anwendung finden können, nach § 2 ATG das 55. Lebensjahr vollendet haben, in den fünf Jahren vor der Altersteilzeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem SGB III gestanden haben und eine Vereinbarung treffen, die sich zeitlich bis zu dem Zeitpunkt erstreckt, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann.

    Zudem setzt § 3 ATG voraus, dass sich der AG zur Aufstockung des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit um mindestens 20 % sowie zur Aufstockung der Beiträge zur Rentenversicherung um mindestens 80% des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit verpflichtet.

    Dieser Aufstockungsbetrag kann durch Tarif- oder Arbeitsvertrag auf über 20% angehoben werden. Er stellt kein Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 SGB IV (aber i.S.v. §§ 611, 612 BGB „Sicherung des Lebensstandards der Mitarbeitenden“) dar.

    Liegen die Voraussetzungen der §§ 2, 3 ATG vor, so ist der Aufstockungsbeitrag des Arbeitgebers gem. § 1 III ATG iVm § 3 Nr. 28 EStG von der Lohnsteuer sowie iVm § 1 I Nr. 1 SvEV von Beiträgen für die Sozialversicherung befreit. Weiterhin ist zu beachten, dass die Aufstockungsbeträge und die zusätzlichen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auch insoweit steuerfrei bleiben, als sie über die im ATG geregelten Mindestbeträge hinausgehen. Dies gilt jedoch nur, soweit die Aufstockungsbeträge zusammen mit dem während der Altersteilzeit bezogenen Nettoarbeitslohn monatlich 100% des sog. maßgebenden Arbeitslohns nicht übersteigen.

    Unter maßgebendem Arbeitslohn ist im Fall von laufendem Arbeitslohn der Nettoarbeitslohn zu verstehen, den der Arbeitnehmer im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum ohne Altersteilzeit üblicherweise erhalten hätte.

     

    Begründung eines Altersteilzeitverhältnisses:

    Die Altersteilzeit beruht grundsätzlich auf dem Prinzip der doppelten Freiwilligkeit.

    Weder Arbeitgeber noch Beschäftigte können, sofern nicht ausnahmsweise in einem Tarifvertrag oder z.B. einem Sozialplan einseitige Optionsrechte für Arbeitnehmer vereinbart werden, gezwungen werden, die Arbeitszeit zu vermindern. Aus dem ATG lässt sich kein Rechtsanspruch für Mitarbeitende ableiten.

    Oft werden in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen aber Rahmenbedingungen für beiderseits freiwillige Altersteilzeitarbeitsverhältnisse geschaffen.

    Die Umsetzung erfordert hingegen stets eine einzelvertragliche Vereinbarung.

    Grundsätzlich kann ein Altersteilzeitarbeitsvertrag nur vor dem Beginn der Altersteilzeit, also nicht rückwirkend, abgeschlossen werden.

    Ein Angebot auf Abschluss eines solchen Vertrages kann auch mittels Änderungskündigung abgegeben werden. Diese kann dann zulässig sein, wenn die Beschäftigungsmöglichkeiten zu den bisherigen Bedingungen entfallen sind und sachliche Gründe für das Angebot einer nur befristeten (Weiter-)Beschäftigung bestehen. Der sachliche Grund kann darin liegen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus sozialen Erwägungen eine befristete Beschäftigung im Sinne einer Übergangsregelung ermöglichen will. Die sozialen Erwägungen müssen dann das überwiegende Motiv des Arbeitgebers für das Änderungsangebot sein.

    Da es sich bei Altersteilzeitverträgen in der Regel um Vereinbarungen handelt, die der AGB-Kontrolle unterliegen, ist bei ihrer Gestaltung besondere Sorgfalt geboten.

    Typischerweise müssen solche Verträge zumindest Regelungen enthalten zu:

    • der Halbierung der Arbeitszeit; dies geschieht durch die Festlegung des Beginns der Altersteilzeit und des Endes des Arbeitsverhältnisses sowie der Verteilung der Arbeitszeit (Kontinuitätsmodell oder Blockmodell),
    • dem Altersteilzeit-Entgelt,
    • besonderen Entgeltbestandteilen (z.B. Dienstwagen, Sonderzahlungen),
    • der Aufstockung des Entgelts und des Rentenbeitrags durch den Arbeitgeber,
    • zu Krankheitsfällen und anderen Fehlzeiten,
    • zu einer etwaigen Nebenbeschäftigung (möglicher Ruhenstatbestand nach § 5 ATG) sowie
    • einer etwaigen vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitvertrages

    enthalten.

    Die absolute Höchstdauer einer Altersteilzeitvereinbarung nach ATG beträgt 10 Jahre. Regelmäßig werden Laufzeiten von drei bis sechs Jahren vereinbart.

     

    Arbeitsrechtliche Besonderheiten:

    Das Arbeitsteilzeitverhältnis ist ein (nachträglich) befristetes Arbeitsverhältnis.

    § 8 III ATG enthält einen Befristungsgrund für Vereinbarungen, die eine Beendigung mit dem Zeitpunkt vorsehen, zu dem den Mitarbeitenden eine Rente wegen des Alters nach § 33 II SGB VI zusteht. Wird vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls zu dem Zeitpunkt endet, zu dem die Mitarbeitenden eine abschlagsfreie Rente beziehen können, so ist von diesem Wortlaut der Fall der Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit 63 (§ 236 SGB VI) nicht erfasst.

    Achtung: Um eine im Ergebnis unzulässige auflösende Bedingung nach § 21 TzBfG handelt es sich hingegen bei solchen Vereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem die Mitarbeitenden die frühestmögliche gesetzliche Rente in Anspruch nehmen können, soweit bei Vertragsschluss noch nicht klar abzusehen war, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente erfüllt werden würden. Eine solche Klausel ist nach § 305c I BGB überraschend und unwirksam, wenn sie derart von aus den Vertragsverhandlungen erwachsenen Erwartungen abweicht, dass die Mitarbeitenden vernünftigerweise nicht mit rechnen konnten. Eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit muss im Vertragstext deutlich erkennbar hervorgehoben werden, da sie sonst intransparent ist und damit gegen § 307 I 2 BGB verstößt.

    Befinden sich die Mitarbeitenden im Urlaub oder erkranken, so hat der AG die Arbeitsteilzeitvergütung einschließlich des Aufstockungsbetrages und die Beträge für die gesetzliche Rentenversicherung weiterzuzahlen. Es besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 I 1 EFZG für sechs Wochen. Es kann vereinbart werden, dass bei einer Ausfallzeit mit Krankgeldbezug die Hälfte der ausgefallenen Arbeitszeit nachzuarbeiten ist und es zu einer rechtlich zulässigen Verlängerung der Arbeitsphase kommt.

    Für den Urlaub bestehen grundsätzlich kein Besonderheiten. Er verfällt in der Regel gem. § 7 III BurlG nach Ablauf des Übertragungszeitraums, soweit er nicht vorher bereits vollständig genommen wurde.

     

    Kündigungsschutz bei Arbeitsteilzeitverhältnissen:

    Es gilt der allgemeine und besondere Kündigungsschutz. § 8 I ATG bestimmt zudem, dass die Berechtigung zur Altersteilzeitarbeit kein die Kündigung sozial rechtfertigenden Grund im Sinne des § 1 II 1 KSchG darstellt. Sie ist auch für die soziale Auswahl nach § 1 III 1 KSchG unerheblich, d.h. im Ergebnis ist ein ATZ-Mitarbeiter während der Arbeitsphase mit „regulären“ Arbeitnehmern vergleichbar.

    Durch die Befristung kann allerdings während der Arbeitsphase nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn dies im ATZ-Vertrag im Sinne des § 15 III TzBfG vereinbart worden ist, oder das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§ 113 S. 1 InsO, in aller Regel fehlt es in der Freistellungsphase jedoch am dringenden betrieblichen Erfordernis das Arbeitsverhältnis mit dem ohnehin freigestellten Mitarbeitenden zu beenden).

    Dennoch ist eine Kündigung auch in der Freistellungsphase des Blockmodells denkbar (umstritten). Diese kann aber dann nicht auf betriebs- oder personen-, sondern nur auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werden, die trotz der Freistellung des Arbeitnehmers so schwerwiegend sind, dass sie die Kündigung iSv § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen bzw. einen wichtigen Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB darstellen.

    Betriebsverfassungsrechtliche Bedeutung:

    Es ergeben sich lediglich Besonderheiten für diejenigen Mitarbeitenden, die sich in der Freistellungsphase des Blockmodels befinden. Diese gehören dem Betrieb nicht mehr an, kehren nicht mehr in die Betriebsorganisation zurück und sind daher bei Betriebsratswahlen weder wahlberechtigt noch wählbar. Dementsprechend sind sie auch nicht für den Geltungsbereich des KSchG nach § 23 I KSchG zu berücksichtigen. Sie bleiben auch für § 9 BetrVG unberücksichtigt. Eine Mitgliedschaft im Betriebsrat erlischt mit Eintritt in die Freistellungsphase.

     

    Fazit:

    Altersteilzeitverträge können eine attraktive Möglichkeit sein, bestehende Arbeitsverhältnisse arbeitsvertraglich umzugestalten und eine interessengerechte Lösung für beide Seiten vor dem Eintritt in die Altersrente der Mitarbeitenden zu finden. Aus Sicht des Arbeitgebers ist das Gleichverteilungsmodell das rechtlich simplere Konstrukt, da es kaum Unterschiede zu einem „normalen“ Arbeitsverhältnis begründet. Das Blockmodell hingegen stellt sich, insbesondere während seiner Freistellungsphase, als durchaus komplexere Materie dar, bei der der Arbeitgeber die Auswirkungen auf seinen Betrieb genau im Blick haben muss. Nichtsdestotrotz ist gerade diese Möglichkeit für Mitarbeitende und Arbeitgeber besonders attraktiv.