Jedes Arbeitsverhältnis ist ein auf Dauer angelegtes Schuldverhältnis. Im Laufe seines Bestands ist damit zu rechnen, dass auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen. Entstehen dadurch bei einer beruflichen Tätigkeit Schäden, können (vertragliche) Schadensersatzansprüche entstehen. Insbesondere nach den allgemeinen Regelungen der §§ 280 ff. BGB. Die Vorschriften des BGB werden allerdings aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses ersetzt, geändert oder konkretisiert durch die Regeln des innerbetrieblichen Schadensausgleichs.
Der innerbetriebliche Schadensausgleich umfasst drei Gruppen:
- den Personenschaden eines Beschäftigten, den der Arbeitgeber oder ein Arbeitskollege verursacht,
- die Haftung des Arbeitgebers für Sach- oder Vermögensschäden des Arbeitnehmers,
- sowie die Haftung des Arbeitnehmers für Sach- und Vermögens- und Persönlichkeitsschäden des Arbeitgebers.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Haftung des Arbeitnehmers für Sach- und Vermögens- und Persönlichkeitsschäden des Arbeitgebers. Diese Fallgruppe ist zum Beispiel einschlägig, wenn der Arbeitnehmer Betriebsmittel des Arbeitgebers beschädigt, zum Beispiel indem er einen Laptop fallen lässt oder zerstört.
- Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer
Die Haftung des Arbeitnehmers richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des BGB, sodass bei Pflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche entstehen können. Dabei kann auch die Schlechtleistung eines Arbeitnehmers insbesondere zu einem vertraglichen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer führen. Danach kann ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB entstehen, wenn dieser in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit unter Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten zumindest fahrlässig ein Betriebsmittel des Arbeitgebers beschädigt oder zerstört.
Allerdings müssen Sie hierbei die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs beachten, die den Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers modifizieren. Die Haftung des Arbeitnehmers wird gegenüber dem Arbeitgeber für Schäden aus einer betrieblich veranlassten Tätigkeit eingeschränkt. Das wird mit einer angemessenen Verteilung des Betriebsrisikos begründet.
Der Arbeitgeber soll nicht dadurch von dem Betriebsrisiko befreit werden, dass er sich zur Verrichtung seiner Arbeit eines Arbeitnehmers bedient. Der Arbeitgeber selbst versetzt den Arbeitnehmer mittels seiner arbeitsrechtlichen Weisungen erst in die Lage, einen Schaden verursachen zu können. Zudem ist es dem Arbeitgeber möglich, die Betriebsrisiken zu kalkulieren und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass bei ihrer Realisierung möglichst keine Schäden eintreten (z. B. durch Abschluss von Versicherungen).
Seitens des Arbeitnehmers ist zugleich zu berücksichtigen, dass ohne eine Haftungsbegrenzung zu seinem Schutz auch angesichts der möglichen Höhe eventueller Schäden schnell eine finanzielle Überforderung des Mitarbeiters gegeben wäre. Dadurch drohten auch das auf Dauer angelegte Schuldverhältnis sowie der innerbetriebliche Frieden grundlegenden Schaden zu nehmen.
Die Haftung des Arbeitnehmers wird deswegen technisch durch eine analoge Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB beschränkt. Soweit sich im Schadensfall das Betriebsrisiko des Arbeitgebers realisiert hat, geht der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers unter. Inhaltlich hängt diese Haftungseinschränkung des Arbeitnehmers davon ab, welches Verschulden den Arbeitnehmer trifft:
1. Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht. Leichteste Fahrlässigkeit wird bei kleineren Fehlern oder Versehen angenommen. Hier wird unwiderleglich vermutet, dass sich allein das Betriebsrisiko des Arbeitgebers realisiert hat.
2. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden gequotelt, d. h. zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber nach einer bestimmten Quote z. B. 40 / 60 aufgeteilt. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat, ihn aber kein besonders schwerer Vorwurf trifft.
Nach einer allerdings noch nicht vollständig gefestigten Rechtsprechung gibt es zudem Ansätze, nach denen ein Arbeitnehmer bei mittlerer Fahrlässigkeit nur etwa bis zum dreifachen seines Bruttomonatsgehalts haftet.
Für die konkrete Bemessung der Haftungsverteilung kommt es auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an, insbesondere Anlass und Folgen des Schadens. Maßgeblich berücksichtigt werden folgende Umstände: die Gefahrgeneigtheit der Arbeit (je höher das arbeitstypische Haftungsrisiko ist, desto geringer ist die Haftungsquote des Arbeitnehmers), das Vorliegen eines vom Arbeitgeber von vornherein einkalkulierten oder billigerweise durch eine Versicherung abzudeckenden Risikos, das konkrete subjektive Verschulden des Arbeitnehmers. Danach ist bei der Haftungsverteilung auch zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer gegen konkrete Anweisungen des Arbeitgebers verstoßen hat. Je genauer die Weisungen des Arbeitgebers waren, desto höher wiegt das subjektive Verschulden des Arbeitnehmers bei einem Weisungsverstoß.
3. Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich voll. Der Arbeitnehmer muss dafür die verkehrserforderliche Sorgfalt besonders schwer verletzt haben und sich über Verhaltensregeln hinwegsetzen, die im konkreten Fall jedem einleuchten müssten.
Eine Ausnahme von der vollen Haftung wird nur gemacht, wenn ein besonders hoher Schaden eingetreten ist und dadurch eine Existenzgefährdung des Arbeitnehmers vorliegt und kein Fall von gröbster Fahrlässigkeit gegeben ist. Wenn diese Ausnahme vorliegt, wird wiederum eine Quotelung des Schadens vorgenommen. Gröbste Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer gegeben, wenn es durch den Schaden zu einer akuten Gefährdung von Menschenleben gekommen ist.
4. Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer immer voll. Der Vorsatz des Arbeitnehmers muss sich dabei allerdings auf den Schaden und nicht bloß auf die Pflichtverletzung beziehen. Der Arbeitnehmer muss also wollen, dass durch seine Handlung ein Schaden entsteht.
- Fazit und Hinweise auf Rechtsprechung
Ob und inwieweit Ihr Arbeitnehmer haftet, hängt also maßgeblich von dem Verschulden ab, das dem Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall zur Last gelegt werden kann. Je nachdem, welches Verschulden dem Arbeitnehmer zur Last fällt, haftet der Arbeitnehmer nicht, anteilig oder voll für den verursachten Schaden.
Leichteste Fahrlässigkeit hat die Rechtsprechung beispielsweise in Fällen angenommen, in denen
- der Arbeitnehmer versehentlich etwas fallen lässt,
- der Arbeitnehmer geringfügig gegen Sorgfaltspflichten verstößt, insbesondere beim Versprechen, Vergreifen oder Vertun.
Mittlere Fahrlässigkeit hat die Rechtsprechung beispielsweise angenommen in Fällen, in denen
- der Arbeitnehmer die Handbremsenbetätigung beim Abstellen eines LKW vergisst,
- eine Flugbegleiterin das Mitführen von Reisedokumenten vergisst, auch wenn Kontrollmaßnahmen seitens der Airline fehlen.
Von grober Fahrlässigkeit ist beispielsweise auszugehen, wenn
- der Arbeitnehmer Verhaltensregeln missachtet, die jedem einleuchten müssten, etwa eine rote Ampel missachtet oder Wertgegenstände offen liegen lässt, zum Beispiel unverschlossenes Zurücklassen einer Kellner-Geldbörse im Restaurant.
- oder der Arbeitnehmer aufgrund einer Alkoholisierung/Restalkoholisierung einen Unfall verursacht.
Vorsatz ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer den Schaden absichtlich und wissentlich herbeiführt.
- Beispielsfall
Für den eingangs dargestellten Beispielsfall bedeutet das, dass der Arbeitgeber gegen den Mitarbeiter A nach diesem Maßstab einen Anspruch auf Schadensersatz haben kann.
Indem der Mitarbeiter A an Corona erkrankt in den Betrieb kommt, verletzt er jedenfalls seine Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, soweit ausdrücklich keine andere vertragliche Pflicht vereinbart ist.
Die Pflichtverletzung erfolgt schuldhaft, weil der Mitarbeiter A weiß, dass er an Corona erkrankt ist und sich in Quarantäne zu begeben hat.
Durch die Pflichtverletzung ist dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden. Dieser muss Entgeltfortzahlung an den infolge der Pflichtverletzung erkrankten Mitarbeiter B zahlen. Dass die Entgeltfortzahlung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters B gesetzlich geschuldet ist, dürfte unschädlich sein. Denn die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters B ist im Beispielsfall kausal durch die Pflichtverletzung des Mitarbeiters A herbeigeführt worden. Erst der Mitarbeiter A hat Mitarbeiter B nachweislich infiziert. In der Praxis dürften hier Beweisschwierigkeiten bestehen.
Ob nach den oben genannten Grundsätzen die Haftung des Arbeitnehmers beschränkt wird, hängt von dem Grad des Verschuldens ab, der ihn trifft.
Der Arbeitnehmer hat die verkehrserforderliche Sorgfalt besonders schwer verletzt und sich über Verhaltensregeln hinweggesetzt, die im konkreten Fall jedem einleuchten müssten, sodass hier mindestens von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann.
Ob der Schaden darüber hinaus auch vorsätzlich herbeigeführt wurde, ist fraglich. Zwar hat der Mitarbeiter gewusst, dass er an Corona erkrankt ist. Der Schaden ist aber nicht allein dadurch entstanden, dass der Mitarbeiter A erkrankt in den Betrieb gekommen ist, sondern erst dadurch, dass Mitarbeiter A Mitarbeiter B infiziert hat. Dass Mitarbeiter A dies wusste und wollte, ist im Beispielsfall nicht ersichtlich. Insofern dürfte der Schaden hier „nur“ grob fahrlässig herbeigeführt worden sein.
Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Mitarbeiter A grundsätzlich voll.
Eine Ausnahme von der vollen Haftung kann für Mitarbeiter A nach dessen konkreten Lebensumständen gemacht werden. Voraussetzung ist, dass ein besonders hoher Schaden eingetreten ist und dadurch eine Existenzgefährdung des Arbeitnehmers vorliegt und kein Fall von gröbster Fahrlässigkeit gegeben ist.
Gröbste Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer gegeben, wenn es durch den Schaden zu einer akuten Gefährdung von Menschenleben gekommen ist. Diese akute Gefährdung von Menschenleben hängt vom Einzelfall ab. Im Beispielsfall liegt nur eine Infektion vor, eine akute Gefährdung von Menschenleben ist nicht ersichtlich.
Je nach Höhe der Entgeltfortzahlung kann ein besonders hoher Schaden eintreten. Bei einer Existenzgefährdung des Mitarbeiters A kommt also ausnahmsweise eine Haftungsminderung in Betracht.
- Praxistipp
Der Arbeitsvertrag sollte die Pflichten des Arbeitnehmers detailliert regeln. Dabei sollten insbesondere konkrete Sorgfaltspflichten, die der Arbeitnehmer beim Umgang mit Betriebsmitteln – insbesondere mit technischen Geräten wie Laptops und Handys – zu beachten hat, vereinbart werden.
Zur Corona-Krise könnte zur Klarstellung ausdrücklich vereinbart werden, dass ein Arbeitnehmer, der an Corona erkrankt ist und in Quarantäne geschickt wurde, nicht in den Betrieb kommen darf.
Dadurch wird einerseits das Pflichtenprogramm des Arbeitnehmers definiert. Andererseits erleichtert eine genaue Vereinbarung auch die Haftungsverteilung nach dem konkreten subjektiven Verschulden, das dem Arbeitnehmer zur Last gelegt werden kann.
Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung trägt letztlich der geschädigte Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt auch für die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Pflichtverstoß zur Last gelegt werden kann und welchen Grad sein Verschulden besitzt. Die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt gemäß § 619a BGB insoweit nicht.
Um schließlich auch das verbleibende Betriebsrisiko zu minimieren, empfiehlt es sich, gelegentliche Schädigungen auch durch den sorgfältigsten Arbeitnehmer frühzeitig einzukalkulieren und entsprechende Betriebshaftpflichtversicherungen abzuschließen.
- Rechtsirrtum
Die Aussage, dass ein Arbeitnehmer nicht haftet, wenn er bei der Arbeit Betriebsmittel beschädigt oder zerstört, etwa indem er einen Laptop fallen lässt, trifft so pauschal nicht zu.
Vielmehr hängt die Haftung des Arbeitnehmers davon ab, ob ihm ein konkreter Pflichtverstoß zur Last fällt und inwieweit ihm ein subjektives Verschulden vorgeworfen werden kann. Nach der gebotenen Bemessung der Haftungsverteilung im Einzelfall kann zum Beispiel das Fallenlassen eines Laptops leicht fahrlässig, fahrlässig, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich erfolgen. Je nach den gegebenen Umständen des Einzelfalls ergibt sich wie dargelegt eine entsprechende Haftungsverteilung.