ADG Akademie

    Mehr Mut für eine veränderte Arbeitswelt

    von Monika Schaaf

    Im 21. Forum Personal der ADG wurde deutlich: HR hat einen klaren Auftrag. Als Gestalter der Arbeitswelt von morgen. Da sich Rahmenbedingungen und Arbeitsmodelle aber immer schneller verändern, wird auch von Personalern absolute Flexibilität und eine Vordenkerrolle erwartet. Zusätzlich steigt der Druck auf Personaler aufgrund eines immer stärkeren Fachkräftemangels.

    Der Mensch wird zur Schlüsselressource. Und damit wird HR zum Schlüsselfaktor in Unternehmen. Wie ADG-Vorstandsmitglied Peter Rausch in seiner Keynote „Trends und Entwicklungen im Personalmanagement“ zum Auftakt des 21. Forums Personal verdeutlichte, gehe es immer mehr darum, dass HR eine menschenzentrierte Organisation schaffen muss. Dass sich Mitarbeitende da, wo sie arbeiten, wohlfühlen. Und dass HR dazu einen großen Beitrag leisten kann.

    Die derzeitige Situation bereitet vielen Unternehmen Kopfzerbrechen: 13 Millionen ArbeitnehmerInnen werden in den nächsten 15 Jahren in Deutschland in Rente gehen. Es gibt aktuell zwei Millionen unbesetzte Stellen, davon 65.000 in der Finanz- und Versicherungsbranche. Bei den zehn größten Volks- und Raiffeisenbanken waren zuletzt 435 Stellen ausgeschrieben. 15 davon in leitenden Positionen. „Das ist neu“, so Peter Rausch. „Leitende Funktionen wurden gewöhnlich über eine innere Laufbahn besetzt.“ Die Herausforderungen für HR sind größer denn je. „HR hat an Bedeutung gewonnen“, so Rausch. „Wenn HR nicht die Arbeitswelt von morgen gestaltet, wer soll es dann tun? Es wird sonst niemand anders übernehmen. HR wird zum Unternehmensentwickler.“


    Die Welt funktioniert nicht mehr nach dem Brockhaus

    Gleichzeitig muss HR die Wertschöpfungsbeiträge neu definieren und interdisziplinär agieren. In diesem Zusammenhang muss sich HR auch die Frage stellen, wie die Beschäftigten all die neuen Fähigkeiten lernen, die es braucht, um die Transformationsprozesse mitzugehen, damit auch sie ihren Wertschöpfungsbeitrag leisten können. „Viele Unternehmen sind immer noch wie der Brockhaus organisiert“, erklärte Peter Rausch. „Aber die Welt funktioniert nicht mehr nach dem Schema einer Enzyklopädie, aus der man einfach nur das ‚F‘ rauszuzieht. Das ‚F‘ hat heute immer auch mit ‚M‘, ‚K‘ oder vielleicht dem ‚Z‘ zu tun. Sie müssen Ihre MitarbeiterInnen unterstützen, diese Komplexität zu meistern.“


    Die Komplexität der neuen Arbeitswelt zeigt sich auch in der Grafik der ADG zu ihrem Angebot für Neues Arbeiten. Neun Dimensionen, alle miteinander vernetzt, alle in Resonanz zueinander. Beispielhaft gab ADG-Vorstandsmitglied Peter Rausch praxisnahe Impulse für jede Dimension, forderte zum Beispiel dazu auf, über eine „Duz-Kultur“ in der Bank nachzudenken, weil jüngere Menschen oft keine Hierarchien mehr akzeptieren würden. Führungskräfte müssten in neue Rollen schlüpfen, zu einem Talentmagneten werden und selbst einen Beitrag zur Rekrutierung und Bindung von MitarbeiterInnen liefern. Oder im Employer Branding sei es wichtig, dort zu sein, wo sich die KandidatInnen bewegen, bei Auszubildenden dann vielleicht auch auf TikTok.

    Was es braucht, um all diesen neuen Entwicklungen erfolgreich in der Zukunft zu begegnen? Peter Rausch: „Anpassungsfähigkeit, also schnell auf neue Bedingungen reagieren zu können, und Mut. Es erfordert Mut, auch mit Widersprüchen leben zu können.“ 


    Personalgewinnung als Erfolgsfaktor

    Über „HR im Wandel“ referierte Dr. Stephan Weingarz, Abteilungsleiter Personalmanagement des BVR. Entwicklungspfade, die für den HR-Bereich aufgezeigt wurden: Digitalisierung und Automatisierung, Lernarchitektur, Eigenverantwortung, Netzwerkorganisation und Agilität. Doch all diese Schwerpunkte lassen sich nur mit dem entsprechenden Personal umsetzen. Wie Dr. Weingarz festhielt, ist Personalgewinnung zu einem zentralen Erfolgs- bzw. Engpassfaktor geworden, zu einer Spezialistenaufgabe. Recruitung laufe nicht mehr nebenher. Auch über die relevanten Plattformen und Kanäle sowie den Erwartungen verschiedener Zielgruppen müsse der Recruiter umfassende Kenntnisse haben. Vor allem, weil VR-Banken häufig nicht mehr sichtbar und keine erste Anlaufstelle mehr für BewerberInnen seien. Eine Methode, um die wieder verstärkt auf sich zu lenken, könne das Einsetzen von MarkenbotschafterInnen sein.

     

    Dr. Stephan Weingarz, Abteilungsleiter Personalmanagement des BVR


     Neues Arbeiten hat keinen Anfang und kein Ende

    Dass Neues Arbeiten kein Projekt ist, das machte Monika Maria Lehmann von fellaws consult klar. „Projekte haben einen Anfang und ein Ende“, so die Expertin in Sachen Unternehmensveränderung. „Das gibt es hier aber nicht.“ Lehmann gab den Teilnehmenden des Forums mit an die Hand, wo immer möglich mit einem Piloten zu arbeiten. Würde man zum Beispiel das Thema „Shared Desks“ in einem Unternehmen etablieren wollen, treffe diese Idee häufig auf Widerstände. Gäbe es allerdings einen Piloten mit positiven Erfahrungen, habe dies große Effekte auf andere Teams. Gleichzeitig sei es bei Neuem Arbeiten ganz entscheidend, dass das Top-Management und HR dieses authentisch vorlebe. Und generell sind ernstgemeinte „Partizipative Prozesse hier die Leitplanken“ und vor allem von Anfang an die integrierte Betrachtung aller Dimensionen des Neuen Arbeitens, so Monika Maria Lehmann.

    Gabriele Kinast, Bereichsleiterin HR der Berliner Volksbank, Monika Maria Lehmann, fellaws consult, und Peter Rausch, ADG-Vorstandsmitglied

     

    Neues Arbeiten zur Chefsache machen

    Unterstützung in diesen Thesen gab es auch von Gabriele Kinast, Bereichsleiterin HR der Berliner Volksbank. Die Berliner Volksbank führt mit dem Bezug ihres neuen Quartiers ein gänzlich neues Raumkonzept ein – und das wird auf allen Führungsebenen gelebt: freie Flächen, und zwar für jeden, auch die Vorstände und deren Assistenz. Keiner sitzt künftig mehr im Einzelbüro. Etabliert wurden für die Umsetzung des neuen Raumkonzeptes und das Neue Arbeiten allgemein so genannte „Kulturgruppen“, die Druckpunkte im Unternehmen erkennen und diese an den Vorstand berichten. Völlig offen. So werden Themen von Kollegen für Kollegen erarbeitet. „Wir wissen aber auch, dass es keinen Soll-Zustand bei Neuem Arbeiten geben wird“, so Kinast. Was Sie als Tipp mitgab, um solche Veränderungsmaßnahmen auch wirklich umzusetzen: „Es zur Chefsache machen, Durchhaltevermögen und Durchsetzungsfähigkeit. Am Ende geht es um Vorleben, Ausprobieren und vielleicht auch mal etwas wieder etwas zu verwerfen.“

    ADG-Vorstandsmitglied Peter Rausch fasste zum Ende des Forums, das ganz im Zeichen des Neuen Arbeitens stand, passend zusammen: „Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin. Geben Sie Vollgas beim Neuen Arbeiten – und ändern Sie nicht die Prioritäten. Schenken Sie Vertrauen. Investieren Sie Ihr Vertrauen in die MitarbeiterInnen, die Lust auf den Job haben.

    Beim World-Café wurden gemeinsam die Themen "Rollendefinition HR in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe" sowie "Lernökosysteme gestalten" erarbeitet.